Jeyaratnam Caniceus
Mitglied der ÖDP
Ratsherr der Stadt Kempen

 

Kulturerbe Martinstradition

Wir sind Kulturerbe!

Am 25. Oktober 2018 fand die Verleihung der Auszeichnung zum immateriellen Kulturerbe des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf statt. In Begleitung eines echten Sankt Martin und eines Vertreters der Sankt Martins-Vereine durften wir die Auszeichnung entgegen nehmen.


v.l.n.r: René H.R. Bongartz, Andreas Harmes als Sankt Martin, Jeya Caniceus,
Rainer Hamm (Sankt Martins-Verein Kempen), Parl. Staatssekretär Klaus Kaiser (Ministerium für Kultur u. Wissenschaft NRW)


Als Initiatoren der Bewerbung danken wir allen sehr herzlich, die uns auf dem bisherigen Weg tatkräftig und voller Vertrauen in unser Handeln begleitet haben. Als 'Sankt Martiner' sind wir froh und stolz, dass der Rheinischen Martinstradition im 150sten Jahr ihres Bestehens diese Ehre und Anerkennung zuteil wird.

Doch der Weg hat gerade erst begonnen. Mit der Anerkennung auf Landesebene ist die Grundlage dafür gelegt, die Zusammenarbeit mit anderen Martinstraditionen zu suchen - in Deutschland und Europa. Überall wird Martin von Tours auf vielfältige Weise verehrt und gefeiert. Sankt Martin schlägt den Bogen der Völkerverständigung und hat es verdient, auf UNESCO-Ebene als Kulturerbe anerkannt zu werden.

Mit der Anerkennung in Nordrhein-Westfalen hat die Auswahlkommission ein starkes Zeichen gesetzt. Für uns als Initiatoren und vereint mit all den Martinsfreunden in nah und fern ist die Anerkennung zugleich Ansporn und Auftrag für den weiteren Weg!

Im Martinsland, am 25. Oktober 2018

René H. Bongartz (Organisation) u. Jeyaratnam Caniceus (Initiator)

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Nachfolgend Presseveröffentlichungen zum Thema.


 

Das Martinsfest, das kommt noch vor Karneval“
von N24 - Kristian Frigelj
10.11.17     Klicks:7142     A+ | a-
Jedes Jahr gehen Tausende Kinder mit Laternen zum Martinsumzug. In Kempen ist der Brauch besonders ausgeprägt. Dort ärgert es einige, dass anderswo das Fest aus politischer Korrektheit umbenannt wird.

Franz-Josef Trienekens braucht nur wenige Minuten, um sich in einen Helden aus der Kindheit zu verwandeln. Er geht kurz in den Nebenraum, dann kommt er als jemand anderes zurück. Der 53-jährige Gartenmeister trägt nun einen makellosen roten Mantelumhang mit weißem Fellsaum, darunter ein hellbraunes Cordhemd mit Lederstreifen und aufgenähten Messingplaketten, einen schimmernden Messinghelm auf dem Haupt, ein umgeschnalltes Schwert. Nur die blank polierten Schienbeinschützer hat er nicht angelegt.

Jetzt fehlt ihm noch Schimmelstute Primel. Dann könnte er mit wehendem Mantel zum Marktplatz in Kempen galoppieren, und jeder würde ihn als Sankt Martin erkennen.

Am frühen Donnerstagabend ist es so weit, als etwa tausend Kindergartenkinder losziehen. Am Freitagabend reitet Trienekens erneut durch Kempen. Dann erwartet die nordrhein-westfälische Kleinstadt etwa 30.000 Schaulustige, wenn fast 2500 Grundschüler ihre gebastelten Laternen, „Fackeln“ genannt, präsentieren, begleitet von mehreren Musikkapellen.

Zum Abschluss blitzt und kracht das Feuerwerk über der kurkölnischen Landesburg aus dem Jahr 1400. „Das hat bei uns Volksfestcharakter. Das kenne ich schon als Kind. Da ziehen die Kindergärten und Schulen voll mit. Wer mitgeht, der singt auch mit“, sagt Trienekens. Unter den Martinsliedern ist der „Herbststurm“ sein Favorit.
Kemptener St. Martin geschickt, der Mann heißt Franz-Josef Trienekens, Credit: Kristian Friglej. Sankt Martins Tag
Seit 15 Jahren reitet Franz-Josef Trienekens in den Martinszügen in Kempten

Der legendäre römische Soldat Martinus, der im Winter für einen armen Mann seinen Mantel teilt, gilt nicht nur am Niederrhein als Volksheld. Jedes Jahr ziehen Tausende Kinder und Eltern um den Martinstag am 11. November bundesweit durch die Straßen und schwenken singend Laternen. In Kempen ist die Begeisterung ungleich größer. Dort pflegt der örtliche Sankt-Martin-Verein, 1884 als „St.-Martin-Komitee“ gegründet, seit Jahrzehnten das Image des Wohltäters.

Trienekens, den die meisten hier nur mit seinem Spitznamen „Jüppi“ nennen, reitet seit 15 Jahren in den Martinszügen. „Das ist bei uns Familientradition. Da hängen die Urahnen“, sagt Trienekens und zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Bild mit drei Reitern. „Mein Urgroßonkel Carl Pielen in der Mitte, der 29 Jahre als Sankt Martin geritten war, links Opa Jakob Trienekens und rechts Großonkel Josef Loerper als Herolde.“
Kemptener St. Martin geschickt, der Mann heißt Franz-Josef Trienekens, Credit: Kristian Friglej. Sankt Martins Tag
Schon Trienekens' Urahnen haben bei den Umzügen den Sankt Martin gegeben

Das gerahmte Bild hängt im Wohnküchenbüro von Trienekens’ Baumschule, darunter schnarcht Jagdhund Veith im großen Korb. Der Holzofen breitet behagliche Wärme aus.

Trienekens hat das Martinsgewand wieder abgelegt. Seelenruhig dreht er Zigaretten am Tisch, raucht und erzählt mit knarzender Stimme, dass man als Sankt Martin unbedingt darauf achten müsse, ein vernünftiges Pferd zu haben. „Grundvoraussetzung ist natürlich ein Schimmel. Das Pferd muss Nerven haben, das ist schon kribbelig mit dem Feuer und den Kindern. Es muss ein charakterstarkes Pferd sein. Primel ist ein Bombenpferd. Die fordere ich immer an. Man sollte auf dem Pferd sitzen können, damit es nicht so hilflos aussieht.“ Trienekens war immerhin mal erfolgreicher Turnierreiter.

Kempen veranstaltet die größten Martinszüge am Niederrhein, vielleicht sogar bundesweit. Jährlich sammeln mehr als 100 Freiwillige bis zu 60.000 Euro an Haustüren, um das Spektakel zu finanzieren. Kindergärten und Schulen basteln Laternen und Fackeln. Die schönsten Exemplare werden vom Verein prämiert.

Ein Teil fließt in einen Fonds für Kinder aus sozial geschwächten Familien, deren Eltern kein Geld für Klassenfahrten aufbringen können. Die Begeisterung für den alten Brauch hält unvermindert an. „Um das Martinsfest muss man sich in Kempen wirklich keine Sorgen machen“, sagt Trienekens.
„Lichterfest“ – aus Rücksicht auf Andersgläubige

Der Martin-Mime erinnert sich noch gut ans Jahr 2013, als ein Linke-Politiker forderte, dass man das Fest aus integrationspolitischen Gründen lieber neutral als „Lichterfest“ feiern sollte. Damals kam Kempen als Beispiel für die tief verwurzelte Martinstradition in die bundesweiten Nachrichtensendungen. Es kursierten auch Schlagzeilen, dass Kindereinrichtungen das Martinsfest in „Lichterfest“ umbenannt hätten aus Rücksicht auf Andersgläubige.

In Kempen wäre das undenkbar, dennoch ist Jeyaratnam Caniceus besorgt, dass anderswo das Martinsfest, offenbar aus politischer Korrektheit, einen anderen Namen bekommt. „Das hat mich so empört. Ich hatte den Eindruck, dass hier falsche Toleranz gezeigt wird. Ich hoffe, dass das Martinsfest noch stärker gefeiert wird. Das ist ein Fest für alle Kulturen“, erzählt der 51-Jährige am Telefon.

Ihn stört auch, dass „importierte“ Feste wie Halloween beliebter werden. Caniceus stammt aus Sri Lanka und kam 1985 als Bürgerkriegsflüchtling nach Deutschland. Der dreifache Vater bezeichnet sich selbst als „praktizierenden Katholiken“ und ist gewähltes Mitglied im Pfarreirat der Kirchengemeinde St. Mariae Geburt in Kempen.

Caniceus hat gemeinsam mit René Bongartz aus der Stadt Brüggen einen ungewöhnlichen Vorstoß gewagt: Sie haben im vergangenen Monat eine Bewerbung eingereicht, damit die Unesco die rheinische Martinstradition als „immaterielles Kulturerbe“ anerkennt, so, wie es schon 2014 mit dem rheinischen Karneval geschehen ist.

73 lokale Martinsvereine unterstützen die Initiative, auch weil sie wachsende Risiken sehen. Die Sicherheitsauflagen seien dermaßen gestiegen, dass sie von Vereinen schwer erfüllt werden könnten, obendrein gehe die Bereitschaft zum Ehrenamt zurück. Teilweise könnten Eltern, Erzieher und Lehrer Inhalte der Martinstradition nicht mehr vermitteln.
Aus der rheinländischen Kultur nicht wegzudenken

Die Initiatoren Caniceus und Bongartz betonen in ihrer Bewerbung: „Über die geografisch flächendeckende Verbreitung hinaus gehört das Martinsfest im Verbreitungsgebiet durch alle Generationen und unter den Zugehörigen aller Religionen fest zur Kultur des Rheinlands. Die Sankt-Martins-Vereine sind besonders in kleinen Orten tragende Säulen des kulturell-gesellschaftlichen Lebens.“

Sie ergänzten die Bewerbung mit „fachlichen Begleitschreiben“ eines Theologen und eines Brauchtumsforschers. Darin dokumentieren sie die beträchtliche kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung der Martinsumzüge, die in der heute bekannten Form seit etwa 150 Jahren stattfinden und noch frühere Ursprünge besitzen.

Nach Darstellung des katholischen Theologen Manfred Becker-Hubertie hat sich das Martinsbrauchtum im Rheinland „vom Mittelalter bis in die Gegenwart erhalten, indem es seine Formen und Inhalte der jeweiligen Zeit anpasste, und das ohne den Kern zu verlieren: Nächstenliebe üben heißt, Werke des Lichts zu vollbringen, Licht ins Dunkle zu tragen“.

Zugleich betont er, das „originär katholische Brauchtum grenzt andere Christen und andere Gläubige nicht aus, vereinnahmt aber auch niemanden gegen seinen Willen“. Becker-Hubertie erwähnt auch das denkwürdige Jahr 2013. Als damals „aus dem politischen Raum die religiöse Entkernung des Martinsbrauchtums zu einem konfessionsbefreiten reinen Lichterfest gefordert wurde, scheiterte dies an der breiten öffentlichen Empörung“.

Brauchtumsforscher und Sankt-Martin-Experte Martin Happ beschreibt den römischen Soldaten und späteren Bischof von Tours als „zentrale und die europäische Kultur prägende Heiligengestalt des Christentums“. Das Martinsbrauchtum sei eine „Form eines kulturellen Gedächtnisses“. Dadurch werde „ein zentraler christlicher Wert – die Nächstenliebe säkularisiert in Form der Solidarität – jährlich in den gesellschaftlichen Alltag hineingetragen“ und die öffentliche Erinnerungskultur „in einer sich verändernden, postmodernen und pluralen Gesellschaft“ gestützt.
Die strengsten Kritiker sind die Kinder

All das, was in der Unesco-Bewerbung wissenschaftlich verdichtet wird, erleben die Bürger in Kempen. Hier werden zwei Martinsumzüge veranstaltet, am 9. November für die Kleinkinder und am 10. November für die Schüler. Eigens für die Kleinkinder wird die Szene mit der Mantelteilung auf dem zentral gelegenen Buttermarkt aufgeführt, und zwar mehrfach hintereinander, damit auch alle Kinder das sehen können, ehe sie die Süßigkeitentüten, Plattdeutsch „Blo-ese“ genannt, im Rathaus bekommen.

Die Mantelteilung sei sein „persönliches Highlight“, sagt Jüppi Trienekens alias Sankt Martin. „Sprechen brauche ich nicht. Den Mantel zu teilen, das ist schon Herausforderung genug, da hat man immer eine Hand zu wenig, Zügel halten, Schwert ziehen, Mantel teilen. Ich habe den Mantel schon überm Sattel liegen. Dann hebe ich ihn hoch, ziehe das Schwert, und dann gehen die Klettverschlüsse auseinander. Die Kinder achten da ganz genau drauf.“ Einmal fehlte das weiße Fell am geteilten Mantel, da haben sich die Kinder sofort beschwert.

Ein anderes Mal ist ihm der Mantel versehentlich runtergefallen. „Peinlich, peinlich. Ich habe eine Frau leise gebeten, den Mantel aufzuheben, und sie sagte, das geht nicht, da steht das Pferd drauf“, sagt Trienekens. Die Rolle des Bettlers übernimmt Christoph Dellmans. „Als armer Mann friere ich mich offiziell zu Tode, aber eigentlich schwitze ich ohne Ende, weil ich auf einem Strohballen nah am Martinsfeuer sitze und auf Sankt Martin warte“, erzählt der 50-jährige Sprecher der Stadt Kempen. Seit zehn Jahren übernimmt er die Rolle, am liebsten würde er bis zu seiner Pensionierung weitermachen.

„Es ist einfach das Allergrößte, die leuchtenden Kinderaugen zu sehen“, schwärmt Dellmans am Mittwochnachmittag am Telefon. Gerade packen Freiwillige im Rathaus mehrere Tausend Tüten mit Süßigkeiten für die Kinder. „Die wichtigste Tradition bei uns ist das Martinsfest, das kommt noch vor Karneval. Den Rosenmontagszug veranstalten wir nur alle drei Jahre“, sagt Dellmans.

Nicht einmal ein Unwetter kann den Martinszug von Kempen stoppen. Jüppi Trienekens alias Sankt Martin erinnert sich noch daran, als es vor ein paar Jahren hagelte. „Wir sind stur weitergeritten, in voller Montur, ja, wie im Lied, Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind. Es hat auf den Helm geprasselt, die Gäule hatten hängende Ohren, kein Mensch auf der Straße. Wir waren komplett nass, der Mantel zentnerschwer“, erinnert sich Trienekens.

Er und seine beiden Herolde dachten schon, sie hätten den Martinszug verloren. Doch es hatten sich alle mit ihren Laternen in die schützenden Hauseingänge gestellt, bis der Hagel vorüber war. „Dann hat sich alles mal geschüttelt, und es ging weiter. Der Kempener Zug läuft immer“, sagt Trienekens. Damals hat er gefroren, sonst aber nicht. „Ich habe Pferdeheizung. Der Mantel hängt überm Pferdehintern, und das ist wie eine Heizung“, sagt der Sankt Martin von Kempen. Das funktioniert auch mit geteiltem Mantel.


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